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Rede des Fraktionsvorsitzenden zum Haushalt 2006

Luettinger 2014Es gilt das gesprochene Wort.

Anrede,
die Zahlen, mit denen wir hantieren, haben längst astronomische Ausmaße eingenommen: Der angehäufte Fehlbedarf wird in diesem Jahr die 300-Millionen-Euro-Grenze überschreiten. Bis zum Jahr 2020 werden wir sogar die Milliarden-Grenze im Blick haben. Das Jahr des Haushaltsausgleichs entzieht sich unserer Sichtweite, und an die Abdeckung dieser Fehlbeträge ist erst ab 2030 zu denken. Diese Zahlen und diese Zeiträume sind schlicht nicht mehr vorstellbar.

Auch Töchtern und Söhnen unserer Enkel werden diese über die Jahre hinweg angehäuften Defizite zu schaffen machen, und ihre politischen Gestaltungsspielräume werden entsprechend geringer sein.

Die ohnehin schon vorhandenen Schulden werden uns in den nächsten Jahren zudem immer mehr drücken. Denn das Zinsniveau ist in den vergangenen Jahren nach unten gegangen. In Zukunft werden wir uns darauf einstellen müssen, dass die Zinsen wieder, wie schon geschehen, steigen.

Schuldenmachen ist zu einem Normalzustand geworden. Oder, um es sprichwörtlich auszudrücken: Die Scham ist schnell verflogen, aber die Schulden sind lange nicht zurückgezahlt. Bis zu 50 Millionen Euro sind in den vergangenen Jahren jeweils mehr ausgegeben worden als eingenommen wurde. Der Haushaltsentwurf 2006 sah eine weitere Steigerung auf 57 Millionen Euro vor; der Haushaltsbegleitbeschluss, den wir im Februar beschlossen haben, sieht eine Kürzung der Ausgaben im Verwaltungshaushalt um 10 Millionen Euro vor. Sich auf diesem Niveau einzupendeln und die Schuldenspirale in gleichmäßige Bahnen zu lenken, reicht jedoch nicht aus.

Es ist nachvollziehbar, wenn in den vergangenen Jahren mit dem Finger auf die Politik in Berlin und Düsseldorf gezeigt worden ist. Ein Großteil unserer gegenwärtigen Probleme liegt dort begründet. Immer weitere Aufgaben sind ohne finanziellen Ausgleich von Bund und Land auf die Kommunen verlagert worden. Auch werden zugesagte Ausgleiche ohne Kompensation gekürzt oder gestrichen.

Der Anspruch auf eine neue Gemeindefinanzierung sollte auch weiterhin zu unseren Forderungen gehören. „Wer sich zuerst bewegt, der verliert“ – das bringt uns in Remscheid jedoch nicht weiter, denn mit Hilfe von außen können wir nicht kalkulieren. Für die vor uns liegende Arbeit müssen wir uns die Frage stellen, was wir in Remscheid tun können, um den städtischen Haushalt zu entlasten und so auf lange Sicht die Handlungs-fähigkeit wiederherzustellen. Ansonsten würden wir unserer Verantwortung nicht gerecht werden.

Wir brauchen langfristige Maßnahmen, um den städtischen Haushalt wieder in den Griff zu bekommen. Deshalb ist es wichtig, dass die Fraktionen in ihrem Haushaltsbegleitbeschluss 2006 ekräftigt haben, alle durch die Stadt wahrgenommenen Aufgaben überprüfen zu wollen. Der erste Schritt sollte eine Auflistung sein, aus der hervorgeht, welche Aufgaben gesetzlich verpflichtend sind und welche es nicht sind. Bis zum heutigen Tag liegt eine solche Aufstellung allerdings nicht vor.

Auch mit dem Haushaltsbegleitbeschluss 2005 war die Verwaltung bereits beauftragt worden, eine entsprechende Liste mit den städtischen Kernaufgaben vorzulegen. Außerdem sollte dargestellt werden, wie einzelne Organisationseinheiten ganz oder teilweise auch außerhalb der Verwaltung, also in anderer Form, weitergeführt werden können. Gebäudemanagement, Vermessungsamt und Grünflächenpflege wurden als Beispiele aufgeführt. Im Oktober vergangenen Jahres sollte dies dem Finanzausschuss vorgelegt werden. Doch auch darauf warten wir ein gutes dreiviertel Jahr später noch.

Uns fehlt damit das zentrale Werkzeug für die Haushaltskonsolidierung, nämlich eine umfassende und zielführende Aufgabenkritik: Welche Aufgaben kann und will die Stadt noch leisten? Welche Ressourcen muss sie dafür zur Verfügung stellen? Können diese Aufgaben von Privaten, Verbänden und Bürgern besser erledigt werden? Wenn wir darüber entscheiden wollen, welche Aufgaben wir in welcher Form auch in Zukunft weiterführen, dann brauchen wir diese Informationen. Aufgabenabbau und Standardreduzierung sind Voraussetzungen für eine nachhaltige Zurückführung des Verwaltungshaushalts.

In den Haushaltsreden des Kämmerers wurden die Ursachen für die Verschlechterung der Haushaltssituation mal in Berlin, mal in Düsseldorf und mal in Remscheid gesehen. Doch nun, da sich die Fraktionen endlich einig sind, die Sanierung des städtischen Haushalts gemeinsam anpacken zu wollen, kamen in den vergangenen Wochen wenig hilfreiche Signale aus dem Verwaltungsvorstand. Wenn gesagt wird, die Einsparvorgaben des Rates seien ohnehin realitätsfern, so ist dies sicherlich keine Motivation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, alle Anstrengungen aufzubringen, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Es ist aber notwendig, dass die gesamte Verwaltung mit dieser Aufgabe ernsthaft umgeht und Verantwortung übernimmt. Die Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird gebraucht, wenn die Konsolidierung des städtischen Haushalts vorangehen soll.

Wenn es um Privatisierung von Aufgaben oder die Fremdvergabe von Dienstleistungen geht, so wird sich zeigen, wie ernst es Rat und Verwaltung damit ist, langfristige, strukturelle Maßnahmen zu prüfen und umzusetzen. Wir gehen davon aus, dass diese Wege es der Stadt ermöglichen, Aufgaben mit geringeren Mitteln zu erledigen.

Um sich Handlungsoptionen nicht zu verbauen, hat daher erfreulicherweise der Rat im Dezember die Oberbürgermeisterin mit Erfolg dazu aufgefordert, die städtische Dienstvereinbarung über den Reinigungsdienst zu kündigen. Bisher ist festgeschrieben, dass lediglich 30% der Reinigungsleistungen nach außen vergeben werden dürfen. Nach Auslaufen der Vereinbarung wird es möglich sein, diese Quote zu erhöhen.

Ob Organisationsveränderungen in einigen Aufgabenbereichen sinnvoll sind, müssen die Prüfungen ergeben. Dass Umorganisation kein Selbstzweck ist, sondern im Einzelfall entschieden werden muss, hat sich im vergangenen Jahr gezeigt. Die von der Oberbürgermeisterin vehement vertretene Vereinigung der Volkshochschulen im Bergischen Städtedreieck in einem Zweckverband hat der Rat mehrheitlich abgelehnt. Die Stadt Remscheid hätte zukünftig voraussichtlich Mehrkosten tragen müssen, und Qualitätsverbesserungen konnten auch nicht dargestellt werden. Stattdessen unterstützen wir die Fusion von Volkshochschule sowie Jugendmusik- und –kunstschule in Remscheid. Mit dieser Zusammenlegung hat die Stadt Remscheid mehr Synergien zu erwarten, als dies in einem Zweckverband mit Sitz in Solingen der Fall gewesen wäre. Andere zweckmäßigere Formen der interkommunalen Zusammenarbeit müssen weiter untersucht und umgesetzt werden.

Nicht nur die Verwaltung wird selbstverständlich in den nächsten Monaten gefragt sein. Der Haushaltsbegleitbeschluss ist auch für die Fraktionen die Messlatte für die kommenden Jahre. Wir werden sehen, ob die Politik die in sie gesetzen Erwartungen erfüllen wird. Ob der Beschluss wirklich historisch ist oder nur eine Episode bleibt, wird sich erst noch herausstellen.

Noch haben wir keine weit reichenden Erfolge vorzuweisen. Dass im Laufe der Haushaltsplanberatungen die eine Fraktion an der einen Stelle und eine andere Fraktion an einer anderen Stelle nicht draufsattelt, ist kein Erfolg, sondern eine nicht weiter erwähnenswerte Notwendigkeit.

Unser Problem ist in erster Linie ein Ausgabeproblem. Deshalb wollten wir die Bürger durch Steuer- und Gebührenerhöhungen nicht zusätzlich belasten und sind der Verwaltung auf diesem einfachen Weg nicht gefolgt, als sie vorschlug, die Grundsteuer B sowie die Hundesteuer zu anzuheben.

Bevor Politik und Verwaltung auf diese Weise ihre Einnahmen erhöhen, müssen wir zuerst damit beginnen, über unsere Ausgaben nachzudenken.

Der Haushaltsbeschluss, den wir heute fassen werden, hat eine fünfprozentige Kürzung der Budgets in den einzelnen Dezernaten zur Folge. Drei Prozent hatte die Verwaltung bei Einbringung des Hauhalts bereits angeboten. Wenn die Dezernate in den kommenden Wochen den Fachausschüssen ihre Einsparvorschläge präsentieren, so wird die Politik beweisen müssen, ob sie bereit ist, tiefe Einschnitte in allen Bereichen vorzunehmen. Das Einsparvolumen, das wir uns vorgenommen haben, wird dazu führen, dass einige Spielwiesen beschnitten oder vielleicht sogar ganz geschlossen werden müssen.

Neue freiwillige Aufgaben werden wir uns dabei nicht leisten können. Auch die beliebte Vorgehensweise, neue Ausgaben zu beschließen, wenn gleichzeitig eine entsprechende Kompensation an anderer Stelle angeboten wird, darf nicht zur Regel werden, denn eine Kompensation ist unter dem Strich noch keine Einsparung. Auf diese Weise muss der städtische Haushalt zwar keine Mehrausgaben verkraften, doch zu sparen heißt weniger Geld auszugeben. Es ist daher noch nichts gewonnen, wenn wir Mehrausgaben vermeiden können.

Wir als FDP-Fraktion stehen für eine solche konsequente Konsolidierung des städtischen Haushalts bereit. Die Politik muss am Ende den Mut haben zu entscheiden.

Der Investitionshaushalt 2006 steht im Zeichen der Bergischen Expo. Unsere Region hat in diesem Jahr die Chance, sich mit vielen unterschiedlichen Projekten zu präsentieren. Darunter befinden sich touristisch ausgerichtete Unternehmungen, wie der Brückenpark Müngsten, sowie soziale und kulturelle Projekte, etwa das Programm „Soziale Stadt“ für den Stadtteil Rosenhügel und die Neukonzeption des Deutschen Röntgen-Museums. Der laufenden Maßnahme Hauptbahnhof wird eine Schlüsselstellung für die städtebauliche Entwicklung unserer Innenstadt zukommen. Trotz aller Unkenrufe hoffen wir natürlich auf eine beschlossene Umsetzung des Gesamtprojektes.

Die Investitionen werden in den nächsten Jahren nicht mehr auf diesem Niveau gehalten werden dürfen. Der Regierungspräsident hat für den Zeitraum nach der Regionale 2006 bereits eine Nettokreditaufnahme von null Euro im unrentierlichen Bereich gefordert. Spielräume für neue Investitionen wird es nicht mehr geben. Es wird also zukünftig vor allem darum gehen, die Substanz, die Remscheider Infrastruktur und die städtischen Gebäude, zu erhalten.

Wir werden uns genau überlegen müssen, wo wir zukünftig Prioritäten setzen wollen. Remscheid hat mit Bevölkerungsschwund zu kämpfen und steht im Wettbewerb mit anderen Städten. Es geht daher letztendlich auch darum, Remscheid als eine lebenswerte Stadt zu erhalten, etwa mit einer vielfältigen Kulturlandschaft, einem profilierten Bildungsangebot und mit sozial ausgewogenen und integrativen Eigenschaften.

Ich möchte abschließend den Kolleginnen und Kollegen für die konstruktiven Gespräche danken. Wir werden als FDP-Fraktion dem Haushaltsentwurf heute zustimmen und damit bekräftigen, dass wir weiterhin hinter den Zielen des interfraktionellen Haushaltsbegleitbeschlusses stehen. Politik und Verwaltung werden gemeinsam Verantwortung wahrnehmen müssen, um die Schritte auf dem zwingenden Weg zur Konsolidierung des städtischen Haushalts tun zu können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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